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Jüdisches Museum Wien, Dorotheergasse 11, Wien, www.jmw.at, Judentum, Wien

DEM OPFER-NARRATIV ENTWACHSEN

„RACHE. GESCHICHTE UND FANTASIE“

Das Opfer-Narrativ ist nicht mehr zeitgemäß. Juden sind wehrhafter als die Opfer-Zuschreibung glauben machen will. Mit diesen und weiteren Themen setzt sich eine aktuelle Ausstellung im Jüdischen Museum Frankfurt am Main auseinander.

Sie ist provokant. „Rache. Geschichte und Fantasie“, eine Ausstellung, die gegenwärtig im Jüdischen Museum Frankfurt gezeigt wird, kann – ja sollte sogar als musealer Beitrag zur aktuellen Debatte über jüdisches Selbstverständnis verstanden werden. Juden*innen streben aus dem Klischee der Opferrolle heraus, Juden*innen haben Widerstand geleistet, Juden*innen haben sich gewehrt. Das gilt besonders für das 20. Jahrhundert und die Nachkriegszeit.

 

Heute bestehen die jüdischen Gemeinden in Deutschland und auch in Österreich zu einem großen Prozentsatz aus Juden*innen, die als Kontingentflüchtlinge aus der ehemaligen Sowjetunion das jüdische Leben zusammen mit ihren Nachkommen bereichern. Vor allem sie haben einen anderen Blick auf die jüngere jüdische Geschichte. „Die haben den Krieg gewonnen, die haben Au­schwitz befreit“, sagt Politologe, Schriftsteller und Lyriker Max Czollek, der in seinen Aufsätzen und seinem Buch „Desintegriert euch“ jüdische und auch andere Communitys einlädt, als Alternative zur Opferposition sich von Zuschreibungen zu distanzieren, die nicht ihre eigenen sind. Seine Thesen waren wichtige Ideengeber dieser Ausstellung, zu deren Realisierung er als einer der Kuratoren beitrug.

 

Ein Baseballschläger begrüßt die Besucher. Das erste ausgestellte Exponat ist ein Originalrequisit aus dem Film „Inglourious Basterds“, mit dem die Filmfigur Donny der „Bear Jew“ im besetzten Frankreich SS-­Offiziere erschlägt. Der von ­Quentin Tarantino erfolgreich inszenierte Blockbuster ist eine fiktive Rachegeschichte. Das Unrecht der Schoa wird durch Selbst­ermächtigung stückweise korrigiert.

 

Machtlos sind auch die jüdischen Persönlichkeiten nicht, die in der Bibel erwähnt werden. Reproduktionen bekannter Gemälde zeigen Varianten der Judith-Darstellung. Mit dem gehobenen Schwert in der Hand holt sie zum Schlag aus, während sie selbstbewusst-warnend ihren Blick an den Betrachter richtet. Mit der Enthauptung des assyrischen Feldherrn Holofernes trug sie entscheidend zum Sieg im Verteidigungskrieg gegen den Aggressor bei. Andere Kunstwerke sowie ausgestellte Purimrollen erzählen von dem geplanten Pogrom das durch die mutige Esther verhindert werden konnte und mit dem Sieg über den Judenhasser Haman endete, der zusammen mit seinen Söhnen den Tod am Galgen fand. Mehrere Darstellungen, unter anderen auch eine Zeichnung von Max Slevogt, illustrieren den Kampf Simsons gegen die Philister, die zu jener Zeit die Israeliten unterdrückten. Judith, Esther und Simson waren und sind Vorbilder für Generationen selbstbewusster Juden*innen.

Prof. Dr. Ladislaus Löb, Zürich, Rezsö Kasztner, Yad Vashem, Gamaraal Foundation

Max Czollek, Mirjam Wenzel und Erik Riedel, „Rache. Geschichte und Fantasie“, Begleitband zur Ausstellung, 176 Seiten, Hanser Verlag, Preis: 26,00 € [D], 26,80 € [A], 36,50 Sfr. (Schweiz).

In einer Vitrine kann der Besucher Abzeichen der Kommandoeinheit „Schu‘alei Schimson“ der Giv‘ati-Brigade von 1948 entdecken, in der einst auch Uri Avnery als Soldat der Israelischen Verteidigungsstreitkräfte im Unabhängigkeitskrieg kämpfte. In einem solchen Zusammenhang darf natürlich auch die Golem-Legende nicht fehlen. In der Neuzeit wurde der mittelalterliche Golem zur beliebten Superheldenfigur, der beispielsweise in Comics oder Grafic Novels das Böse in der Welt bekämpft.

 

Von der Dämonin zur Femme Fatal

Wo immer es möglich ist, verknüpft die Ausstellung Themen mit der Gegenwart, Vergangenheit wird zum Ursachenzusammenhang. Amulette, die den bösen Blick abwehren sollen, stellen einen Bezug zur Dämonin Lilith her, die im Babylonischen Talmud als erste Frau Adams erwähnt wird, ihm aber nicht gehorchte und davon flog. In einigen traditionellen jüdischen Familien wird teilweise bis heute Lilith als Verursacherin von Säuglingssterblichkeit gefürchtet und ihr der Tod von Kleinkindern zugeschrieben.

 

Weitere Gegenstände, dem Schutzwirkung nachgesagt werden, sind zum Beispiel „Zauberschalen“. Solche wurden unter der Türschwelle versteckt oder vergraben, in der Hoffnung die gefürchtete Dämonin vom Betreten des Hauses fern zu halten. Ein Vorläufer der heutigen Mesusoth.

 

Der Präraffaelit Dante Gabriel Rossetti malte 1868 Lilith als schöne, verführende Frau, die vorwiegend Männer in das Unglück stürzt. Für Feministinnen von heute verkörpert Lilith eine Vorkämpferin für die Rechte der unterdrückten Frauen. Das Bildnis der zwei jahrtausende­lang gefürchteten und verachteten Dämonin verwandelte sich Ende des 19. Jahrhunderts zu einer wehrhaften Ikone, die sich am traditionellen patriarchalen System rächt. „Lilith“ ist inzwischen ein beliebter Mädchenname, zahlreiche Frauenmagazine schmückt der Name „Lilith“, desgleichen Frauenbuchhandlungen und Frauencafés. Und in der liberalen jüdisch-feministischen Theologie sieht man in ihr eine starke und gelehrte Frau, die sich Adam entzieht und selbstbestimmt ihren eigenen Weg geht. Auch dies thematisiert die Ausstellung.

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KKL, Keren Kayemeth Leisrael, Jüdischer Nationalfonds, KKL Frankfurt, KKL Deutschland, Testament, Israel

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