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Armeniens Hauptstadt Jerewan mit Berg Ararat. Foto: Archiv
Der ehemals zur Sowjetunion gehörende und heute eigenständige im Südkaukasus liegende Staat Armenien ist nicht besonders groß. Mit 29.800 Quadratkilometer Fläche ist er genauso umfangreich wie das bundesdeutsche Land Brandenburg. Nur drei Millionen Einwohner leben in Armenien. Sieht man sich die Wachstumszahlen an, kommt man jedoch aus dem Staunen kaum mehr heraus. Zwischen 2021-2022 vergrößerte sich das BIP (Bruttonlandprodukt) um 12,5 Prozent, die Exporte aus Armenien in die EU verdoppelten sich von 753 Millionen Euro auf 1,3 Mrd. Laut einem Bericht des in Berlin ansässigen „Deutschen Zentrums für den Südkaukasus“ stieg 2022 allein die Anzahl der Exporte aus Deutschland nach Armenien von 178 Millionen auf 505 Millionen Euro.
Dieses Wachstum ist zwar real, hat aber auch einen sehr brisanten Hintergrund. Armenien ist einer der Hauptstaaten, die Russland bei der Umgehung der Sanktionen unterstützen und als Umschlaghafen für Ex-und Importe fungieren. 2022 hatte der Handel zwischen Armenien und Russland einen Umfang im Wert von 2,4 Mrd. US-Dollar, im Vergleich zum Vorjahr bedeutet dies ein Wachstum von 185,7 Prozent. Zwischen Januar und März 2023 vergrößerte sich das Handelsvolumen nochmals um das 2,4-fache. So hilft die EU und darunter auch Deutschland, Putin massiv das Embargo zu umgehen und an militärische Güter zu gelangen, deren Exporte nach Russland seit dem Angriff auf die Ukraine eigentlich verboten sind. Das Problem ist seit längerem bekannt. Dennoch schweigt die internationale Staatengemeinschaft und schaut weg, wenn zum Beispiel das US-Finanzministerium Sanktionen gegen Unternehmen verhängt, die in Armenien Zweigstellen eröffneten, etwa die russische Firma Milandr. Diese gründete in Jerewan das Unternehmen „Milur Electronics LLC“, dessen wahre Aufgabe die Beschaffung von Technologie für den russischen militärischen Komplex ist und bei ausländischen Firmen Mikrochips bestellte und diese auch erhielt. Auch „Milur Electronics“ ist ein solches weiteres Scheinunternehmen von Milandr zur Abwicklung von Großaufträgen mit ausländischen Partnern.
Der Import von Chips und Mikroprozessoren und weiteren Elektronikerzeugnissen stieg aus Ländern der Europäischen Union 2022 innerhalb eines Jahres um 212 Prozent, aus den USA sogar um 515 Prozent. Wie Untersuchungen der „New York Times“ ergaben, befanden sich besonders sensible Spezifikationen von Halbleiterchips darunter. 97 Prozent dieser Elektronikteile seien nach Russland gelangt, berichtete ebenfalls die „New York Times“. In Waffen, die Moskau im Krieg gegen die Ukraine einsetzte, fand man die Chips wieder.
Doch es ist nicht nur Russland, dem Armenien hilft. Auch nach Iran exportierte Armenien westliche Technologie und unterläuft damit ebenso das von der Völkergemeinschaft verhängte Embargo. Der israelische Experte Ron Ben Ishay wies bereits im vergangenen Jahr auf die Fähigkeiten der iranischen Verteidigungsindustrie im Bereich Reverse Engineering hin, die westliche Militärausrüstung in alle Einzelteile zerlegten, sie untersuchten und dann nachbauten. Die Panzerabwehrrakete „Toophan“ ist zum Beispiel eine rückentwickelte amerikanische „TOW-Rakete“ zum Abschuss von präzisionsgelenkter Munition. Es gibt mehrere Beispiel dafür, dass Iran westliche Militärausrüstung erworben hat, sie demontiert und eigene Kopien herstellt und erfolgreich zum Einsatz bringt. Solche nach westlicher Hochtechnologie nachgebauten „iranische“ Drohnen setzte Armenien im letzten bewaffneten Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan ein. Auch Russland verfügt gegenwärtig über diese iranischen Drohnen, die Putins Armee in der Ukraine zum Einsatz brachte und auf ihre Fähigkeit austestet.
Die europäische Staatengemeinschaft gibt sich entsetzt. Faktisch blieb die gegenwärtige Waffenlieferung Frankreichs nach Armenien, die eine Bedrohung nicht nur für die Ukraine, sondern auch für Aserbaidschan und Israel und darüber hinaus für den Weltfrieden ist, bisher ohne ernsthafte Konsequenzen. Emmanuel Macron persönlich hatte Ende Mai 2023 das französische Verteidigungsministerium beauftragt 50 französische Schützenpanzer nach Jerewan zu liefern und weitere Waffenexporte auf die Wege zu beginnen. Bereits im September 2022 hatten der arrmenische Verteidigungsminister Suren Pailyan und der französische Verteidigungsminister Sébastien Lecornu in Paris die Aufnahme einer militärischen Zusammenarbeit vereinbart. Acht Monate wartete Frankreich mit der Inkraftsetzung des Abkommens. Jetzt setzte sich Marcron gegen alle Widerstände hinweg und befahl den Start der Lieferung, die nenben Schützenpanzern demnächst auch Mistral-Luftabwehrraketensysteme einbezieht.
Diese sollen auch gegen israelische und türkische Drohnen eingesetzt werden, über die aserbaidschanische Streitkräften verfügen. Auch ein Sortiment von APC, halbautomatischen und vollautomatischen Waffen gleicher Bauart, ist von Frankreich nach Armenien vorgesehen. Spitzenpolitiker der Türkei und Israel, das wirtschaftlich und militärisch eng mit Aserbaidschan zusammenarbeitet, waren schockiert über diesen französischen Alleingang. Auch die USA missbilligte den französischen Schritt und warnt eindringlich vor der Lieferung modernster Technologie nach Armenien.
Durch die enge politische und militärische Verbundenheit Jerewans mit Moskau und Teheran stellen Hightech-Waffen in armenischen Händen auch eine Bedrohung für das Nachbarland Aserbaidschan sowie für die Ukraine, für Israel und die westliche Welt dar. Europa sollte sich ernsthaft mit den geopolitischen Gefahren befassen, die vornehmlich von einigen Mitgliedsstaaten herbeigeführt wurden, indem sie das Embargo umgingen und bis heute umgehen. Der Technologietransfer nach Armenien spielt hierbei eine Schlüsselrolle.
Alex Kogan
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