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Aserbaidschan, seine Juden und Israel

Schalom Aleikum, Lena Gorelik, Mich Abdoullahi, Shelly Kupferberg, Kreuzberger Himmel, Kreuzberger Initiative, Zentralrat

Das Grab von Albert Agarunov.

Aserbaidschan will demnächst eine Botschaft in Tel Aviv eröffnen. Zum ersten Mal in der Geschichte ist damit ein muslimisches Land mit einer überwiegend schiitischen Bevölkerung in Israel vertreten. Eine „historische Entscheidung“ begrüßte Premierminister Yair Lapid den aktuellen Beschluss des aserbaidschanischen Parlaments und sieht in den Schritt als „Ergebnis der Bemühungen der israelischen Regierung, starke diplomatische Brücken zur muslimischen Welt zu bauen.“ Aserbaidschan ist „ein wichtiger Partner Israels und beherbergt eine der größten jüdischen Gemeinden in der muslimischen Welt.“

 

Aserbaidschan kann auf eine lange jüdische Geschichte zurückblicken. Wie Ausgrabungen belegen, existierte zum Beispiel in der heutigen Stadt Sabran am Fuß des Großen Kaukasus, zehn Kilometer vom Kaspischen Meer entfernt, bereits im 6. Jahrhundert ein jüdisches Viertel mit einer Synagoge, zwei Jahrhunderte bevor arabische Truppen auch diese Region eroberten und dort den Islam als Staatsreligion einführten. Nach und nach leibten sich Mongolen, Osmanen und Perser diese Region ein, bis sie dann unter Zar Peter I. und seiner Nachfolgerinnen Teil des russischen Großreiches wurde. In der sozialistischen Ära war die „Aserbaidschan Sozialistische Sowjetrepublik“ ein Teilstaat der Sowjetrepublik. Nach dessen Zerfall wurde das Land, das sich seit 1991 „Aserbaidschan“ nennt, ein selbstständiger Staat. Die dort lebenden Bergjuden haben alle Jahrhunderte hinweg ihre Religion und Kultur beibehalten und gepflegt. Unter ihnen sind viele bedeutende Persönlichkeiten wie zum Beispiel der Mediziner Solomon Gusman, dessen Sohn Yuli ein bekannter Schauspieler und Filmregisseur wurde und einer der Gründer des „Russisch-Jüdischen Kongresses“ dem er eine zeitlang vorstand. Ein international bekannter Bergjude war auch der in Baku geborene Mathematiker und Atomphysiker Lew Landau, der 1962 den Nobelpreis verliehen bekam und nach dem ein Mondkrater und ein Kleinplanet benannt sind.

Ein Jude wird als Nationalheld Aserbaidschans verehrt

Einmalig in der Diaspora ist die Verehrung eines jüdischen Soldaten als Nationalheld des Landes – und das zugleich in einem muslimischen Staat! Als Panzerkommandant setzte Albert Agarunov sein Leben für die Rückeroberung der Region Bergkarabach ein, das in der Sowjetära ein Autonomer Oblast innerhalb der „Aserbaidschan Sozialistische Sowjetrepublik“ war und heute völkerrechtlich ebenfalls als Teil Aserbaidschans anerkannt ist. Albert Agarunov wurde am 25. April 1969 als zehntes Kind einer bergjüdischen Familie im Dorf Amirjan, einem Vorort von Baku, geboren. Sein Vater arbeitete auf den Ölfeldern in Surakhany während seine Mutter sich um den Haushalt kümmerte. Er liebte Musik und lernte Trompete spielen. Nach seinem Abschluss der 8. Klasse begann er eine Ausbildung als Automechaniker. 1987 wurde er von der Sowjetunion zum Armeedienst nach Georgien einberufen und begann 1989 nach seiner Entlassung wieder in der Maschinenfabrik in Surakhany zu arbeiten. Als der Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan um Bergkarabach erneut entflammte, meldete sich Unteroffizier Agarunov 1991 freiwillig bei der nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion neu formierten aserbaidschanischen Armee. Mittels seines qualifizierten Fachwissens trug er zum Aufbau von Panzereinheiten und der Ausbildung der Soldaten vor allem im Umgang mit den T-72-Panzern bei. Am 8. Mai 1992 kämpfte der inzwischen zum Panzerkommandanten ernannte Albert Agarunov im Bataillon für Spezialoperationen Nr. 777 unter dem Kommando von Elchin Mammadov gegen die armenische Armee und die ihnen helfenden Separatisten im Bataillon für Spezialoperationen Nr. 777 bei der Verteidigung der strategisch bedeutenden Stadt Schuscha. Es waren äußerst heftige Gefechte. Die aserbaidschanische Armee siegte, doch unter den Soldaten, die beim Kampf um Schuscha am 8. Mai 1992 gefallen waren, befand sich auch der jüdische Panzerkommandant Albert Agarunov, der bald darauf für seine Tapferkeit und seinen Einsatz postum die Auszeichnung „Nationalheld von Aserbaidschan“ erhielt. Kurz vor seinem Tod wurde Agarunov von einem Fernsehteam interviewt. Auf die Frage weshalb er als Jude am Bergkarabach-Krieg teilnimmt, antwortete er voller Stolz: „ Ich bin ein Jude, ich lebe in diesem Land, ich bin hier geboren.“ 

 

Albert Agarunov wurde nur 23 Jahren alt. Doch die Erinnerung an ihn wird in Aserbaidschan wach gehalten. Jedes Jahr finden am 25. April anlässlich seines Geburtstages zahlreiche Veranstaltungen statt, die seinem Gedenken gewidmet sind, darunter auch internationale Karate-Turniere. Schulen die er besuchte, tragen inzwischen seinen Namen, zahlreiche Denkmäler und Büsten wurden in Erinnerung ihn aufgestellt und Straßen nach ihm benannt, beispielsweise in Krasnaya Sloboda im Bezirk Guba, in dem viele jüdische Einwohner leben. In Baku ist im Militär-Museum Agarunovs Panzer T-72 mit der Nummer 533 ausgestellt und mehrere aserbaidschanische Panzerkommandanten nennen zur Erinnerung an den gefallenen jüdischen Kämpfer ihre Fahrzeuge „Albert“. 

 

Begraben wurde Albert Agarunov in der „Märtyrergasse“, einem Ehrenfriedhof im Zentrum von Baku. Dorthin führen Mitglieder des aserbaidschanischen Verteidigungsministerium ihre hochrangige Staatsgäste. Einer von ihnen, der Agarunovs Grab besuchte, war der damalige israelische Verteidigungs- und heutige Finanzminister Avigdor Liebermann und als der aserbaidschanische Verteidigungsminister Generaloberst Zaki Hasanov Israel besuchte, begleitete Rantik Agarunov, der Bruder von Albert, die Delegation.

 

Die Erinnerung an den Nationalhelden Aserbaidschans, der sein Jüdischsein nie verleugnete, ist in dem muslimischen Land nach wie vor sehr lebendig.

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