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Jüdisches Museum Wien, Dorotheergasse 11, Wien, www.jmw.at, Judentum, Wien

LANDWIRTSCHAFT IM SCHMITTA-JAHR

KOSCHERE ERZEUGNISSE AUS ISRAEL?

Nachhaltigkeit und Umweltschutz sind keine Erfindungen des 21. Jahrhunderts. In jedem 7. Jahr dürfen Felder in Israel nicht bewirtschaftet werden, die Böden bleiben 12 Monate sich selbst überlassen und können sich regenerieren. Aktuell befinden wir uns in einem solchen Schmitta-Jahr (Brach-Jahr).

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Der Spaten steckt im Boden, die Feldarbeit ruht.

Der Impuls stammt aus der Tora. Seit je her haben sich Juden an die Regeln des Schmitta-Jahres gehalten – mal mehr, manchmal auch weniger. Weil sie die alle sieben Jahre erlassenen Schmitta-Gebote nicht einhielten, beschreibt der Talmud, wurde das jüdische Volk mit dem 70 Jahre anhaltenden babylonischen Exil bestraft. Die Makkabäer hingegen hielten sich auch in den Jahren des entbehrungsreichen Krieges an die Regeln der Brach-Zeit, berichtet der jüdische Chronist Flavius Josephus.

 

Als im Mittelalter während der Kreuzzüge Jerusalem mehrfach belagert und zerstört wurde, beschloss im Jahr 1267 der berühmte Talmudgelehrte Rabbiner Nachmanides, der auch als RaMBaN bekannt ist, im Alter von 70 Jahren von Spanien nach Jerusalem umzusiedeln. Ihm gelang es, viele aus der Stadt geflüchtete Juden zur Rückkehr zu bewegen, eine zerstörte Synagoge wieder aufzubauen und ein Lehrhaus zu errichten, bis er dann in Eretz Israel verstarb. Nachmanides bezeugte die Einhaltung der Schmitta auf den von Juden bewirtschafteten Feldern. Einige Jahrhunderte später hatte sich das Blatt wieder gewendet. Als der bekannte Kabbalist und Talmudist Isaiah Horowitz 1621 Alijah machte und sich in Jerusalem niederließ, klagte er in seinen Briefen, dass viele jüdische Bauern die Schmitta aus wirtschaftlichen Gründen sehr vernachlässigten.

 

Für und wider „Otzar Beit Din“ und „Hetter Mechira“

Bis in die Gegenwart wird über das Schmitta-Gebot heftig diskutiert. Da immer mehr Juden und Jüdinnen nach Israel einwandern, wächst die Bevölkerung rasant und der Bedarf an Nahrungsmittel steigt. Häufig wird die Methode „Otzar Beit Din“ praktiziert, eine zeitlich begrenzte Übertragung des Bodens an ein Bet Din, das die Bauern lediglich für ihre geleistete Arbeit bezahlt.

 

Weil die Ernte im Schmitta-Jahr nicht ausgesät wird, sondern „zufällig“ reift, gelten die Früchte des 7. Jahres als „Keduschat Schewi‘it“, die eine besondere „Heiligkeit“ in sich tragen. Der Kauferlös soll der jüdischen Gemeinschaft zu Gute kommen. Diese Praktik wird von einigen Großbetrieben in Israel angewendet, beispielsweise von der drittgrößten Weinkelterei des Landes „Golan Heights Winery“. Zwar findet die Lese der Weintrauben im Brach-Jahr unter besonderen Auflagen statt, der Boden darf jedoch in dieser Zeit von den Winzern weder gedüngt noch umgegraben werden und die Weinstöcke werden nicht beschnitten oder anderweitig bearbeitet. Dennoch ist der zeitweise Verkauf der Weinberge an das Bet Din in Teilen der jüdischen Welt umstritten. Denn jegliche Arbeit auf Feldern, die sich in jüdischem Besitz befindet, ist in dieser Zeit untersagt, dies schließt auch jegliche Erwerbsmöglichkeit ein, die auf die Früchte zurück zuführen sind.

 

In den Aufbaujahren vor und nach Gründung des jüdischen Staates war die Agrarproduktion ein bedeutender Wirtschaftsfaktor, das spiegelte sich auch in der Auslegung der Schmitta-Gesetze wieder. So gestattete Rabbiner Abraham Isaak Kook, der erste aschkenasische Großrabbiner Jerusalems und Palästinas, zugleich einer der geistigen Väter des modernen religiösen Zionismus, den Verkauf von Früchten, die auf den Feldern des noch jungen Jischuv im Schmitta-Jahr geerntet wurden, obwohl gerade dies eigentlich ja verboten ist. Diese großzügige Auslegung war jedoch nur als Hilfestellung für das Überleben des jungen Jischuv gedacht.

 

Auch befürwortete Rav Kook und weitere Rabbiner, den „Hetter Mechira“, ein kreatives Modell, mit dem das biblische Verbot umgangen wird. Es sieht vor, das jüdische Bauern ihr Land für ein, seltener für zwei Jahre, an Nichtjuden verkaufen, dieser Eigentümerwechsel wird allerdings in den allermeisten Fällen nicht in das Grundbuch eingetragen. Vorwiegend werden Geschäfte dieser Art mit israelischen Drusen abgeschlossen, mit Christen und inzwischen auch mit gemäßigten palästinensischen Arabern, die in Israel leben. So kann der ursprünglich jüdische Landwirt den Acker weiter bewirtschaften, der sich ja dann nicht mehr im jüdischen Besitz befindet. Doch ob die Ernte wirklich das „Hetter Mechira-Zertifikat“ erhält, und damit als „koscher“ gilt, ist sehr umstritten und inzwischen auch politisch brisant. Zeitweilig versuchte das Oberrabbinat die Verantwortung und damit die Entscheidung an lokale Rabbiner weg zu delegieren. Das wiederum führte zu zahlreichen Protesten.

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