DAS FREMDE IM KÖRPER

PRO UND CONTRA DER ORGANTRANSPLANTATION

Im Operationssaal… Foto © Luckynick / Dreamstime.com
Im Operationssaal… Foto © Luckynick / Dreamstime.com

 

Darf man Organe transplantieren? Um Anhänger für die lebensrettende Spende zu gewinnen, tourt der New Yorker Robert Berman gegenwärtig durch Europa. Nach seinem Vortrag in der Jüdischen Gemeinde Frankfurt stand Gemeinderabbiner Klein auf und erklärte: „Sie haben mich überzeugt. Ich mache mit und bitte um einen Organspenderpass“.

Menachem Halevi Klein wurde damit der erste in Deutschland amtierende orthodoxe Rabbiner, der seine Organe Medizinern für lebensrettende Maßnahmen nach seinem Ableben zur Verfügung stellt. Ausgeschrieben ist sein Ausweis von der „ Halachic Organ Donor Society – HOD“, dessen Gründer Berman ist, der sich das Ziel setzt, Jüdinnen und Juden zu bestärken und zu gewinnen.

 

Die Zustimmung wächst
Mehrere hundert orthodoxe Rabbiner haben inzwischen weltweit einen Organspenderausweis, darunter bekannte Autoritäten wie der Gründer und Direktor von ZAKA, Rabbiner Meshi-Zahav sowie der Oberrabbiner von Haifa Shem Yoshuv Cohen. Polens oberster Rabbiner Schudrich trägt eine solche Spenderkarte bei sich, wie auch Pynchas Brener, Chef­rabbiner von Venezuela. Mehrere israelische Rabbiner sind dabei, wie der in Eilat amtierende Rabbiner Shlomo Riskin oder Shlomo Aviner von Bet El oder der Präsident der Yeshiva von Petach Tikvah Rabbiner Yuval Sherlow. Die meisten Anhänger jedoch amtieren in Amerika, wo der Hauptsitz von „HOD“ sich in New York befindet, einer Organisation die sich hauptsächliche über Spenden finanziert, die in den USA auch steuerlich absetzbar sind. In Israel dagegen ist die „HOD Society“ nicht anerkannt, obwohl mehrere Mitglieder der Knesset sie ebenfalls unterstützen, Nathan Sharansky zum Beispiel ist Organspender, Rabbiner Avraham Ravitz und auch Staatspräsident Shimon Peres.

 

Hirntod oder Herztod?
Wann ist ein Mensch wirklich gestorben? Hat das Herz aufgehört zu schlagen, so ist es das seit Jahrhunderten bis in die Gegenwart ausschlaggebende Kriterium. Doch die moderne Medizin verlängert mit technischen Mitteln den Herzschlag auch bei Patienten, bei denen der Hirntod bereits eingetreten ist. Nur wenn Lunge, Herz, Leber und andere Organe mit genügend Sauerstoff und Blut weiterhin versorgt bleiben, werden die entsprechenden Organe nicht beschädigt und können einem anderen Menschen eingepflanzt werden. Geht man davon aus, dass der Herztod und nicht der Hirntod ausschlaggebend für die Todesfeststellung ist, so ist die Organentnahme bei einem Menschen, dessen Herz noch schlägt, ein Mord.

Der aschkenasische Oberrabbiner Jonah Meztger stimmte dem von der Knesset verabschiedeten Hirntot Gesetz zu.
Der aschkenasische Oberrabbiner Jonah Meztger stimmte dem von der Knesset verabschiedeten Hirntot Gesetz zu.

„Der Mensch ist noch nicht tot, auch wenn sein Zustand irreversibel ist“, erklärte Landesrabbiner Joel Berger noch im Jahr 2000 als Sprecher der deutschen Rabbinerkonferenz vor dem Gesundheitsausschuss des Bundestages. Auch Rabbiner Schlomo Salem Auerbach, eine hohe rabbinische Autorität, argumentierte: „Es ist verboten, Organe zur Transplantationszwecken zu entnehmen, solange das Herz schlägt. Dies ist sogar dann verboten, wenn es zu Gunsten einer kranken Person geschehen würde, die vor uns liegt und sicherlich sterben wird.“

 

Kein Problem im liberalen Judentum

Ein weiteres Problem ist die Entwendung von Organen aus dem Körper eines Verstorbenen, der damit nicht mehr unversehrt beerdigt werden kann. Nach traditionellem Verständnis wurde der Körper dem Menschen nur als Leihgabe überlassen, der Mensch darf daher nicht frei über ihn verfügen. Obduktionen sind eine Verstümmelung. Diese Überlegung ist nicht neu. Bereits im 18. Jahrhundert entschied Rabbiner Yehezkel Landau für eine Autopsie und Entnahme der Organe zu Forschungszwecken, „wenn das Leben eines Kranken“ dadurch „gerettet werden kann, hat das Gebot der Lebensrettung Vorrang.“ Besonders im Reformjudentum wurden die Bestimmungen der Tora als zeitgebende Bräuche in ihrer Bedeutung relativiert. Organtransplantation ist heute im liberalen Judentum als lebensrettende Maßnahme und daher als besondere Mizwe respektiert und genehmigt.

 

Aschkenasischer Oberrabbiner ist für die Organspende

Eine neue Diskussionswelle kam aus Israel. Haleli Walfisch, ein kleines Mädchen, erlitt beim Spielen einen Unfall und starb. Bei ihrer Einlieferung ins Krankenhaus wurde der Hirntod festgestellt. Die Eltern, sowie der Großvater, der Rabbiner ist, zogen sofort eine Organspende in Erwägung. Die Presse berichtete und das Thema wurde öffentlich diskutiert. Die Knesset verabschiedete ein „Hirntod-Gesetz“ wonach Organspenden bei Hirntod erlaubt sind. Der aschkenasische Oberrabbiner Jonah Metzger stimmte diesem zu.

 

Dennoch akzeptieren nicht alle orthodoxen Juden diese halachische Entscheidung. Besonders eine Herztransplantation ist nach wie vor umstritten. Viel positiver bewerten jüdischen Autoritäten dagegen Operationen, bei denen lebende Menschen ihre Einwilligung zur Spende sich regenerierender Substanzen geben, wie zum Beispiel von Blut, Knochenmark oder Haut. Strittig ist zurzeit die Zulässigkeit einer Lebendspende von einer Niere, die jedoch in der jüdischen Gesellschaft eine immer höhere Zustimmung erhält.