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Jüdisches Museum Wien, Dorotheergasse 11, Wien, www.jmw.at, Judentum, Wien

„NIE WIEDER!? GEMEINSAM GEGEN ANTISEMITISMUS & FüR EINE PLURALE GESELLSCHAFT“

Jo Frank, ELES, „Nie wieder!? Gemeinsam gegen Antisemitismus & für eine plurale Gesellschaft“
Jo Frank plädiert für ein Aktionsprogramm gegen Antisemitismus und Rechtsradikalismus bei ELES.      Foto Alexander Beygang

Das Ernst Ludwig Ehrlich Studienwerk hat sich innerhalb der letzten zehn Jahre zum Ort jüdischer Intellektualität in Deutschland entwickelt. Ein Ort, der von Streit lebt, ein Ort, der Auseinandersetzung produktiv macht, der jüdische Identitäten thematisiert, sie miteinander ins Gespräch bringt, ein Ort, aus dem Initiativen wie die europäische Plattform für interreligiös-weltanschaulichen Dialog, die „Dialogperspektiven. Religionen und Weltanschauungen im Gespräch“, Projekte wie die Künstler_innenplattform DAGESH. KunstLAB ELES oder auch der jüdisch-muslimische Thinktank Karov-Qareeb entstanden sind.

 

Aus 30 Stipendiat_innen sind über 800 geworden. Eine Erfolgsgeschichte. Und dennoch. Dennoch findet unsere Arbeit unter schlechteren Bedingungen statt als noch vor zehn Jahren. Nirgends wurde dies schmerzhafter sichtbar als bei unserem Jubiläum zu 10 Jahren ELES. Der Saal im Jüdischen Museum Berlin war bis auf den letzten Platz besetzt. Der Bundespräsident, Mitglieder des Bundestages, Abgeordnete aus der ganzen Republik, internationale Gäste, Freund_innen und Kooperationspartner_innen, der Präsident, der Vizepräsident und der Geschäftsführer des Zentralrats der Juden in Deutschland, die ELES-Beiratsmitglieder und am wichtigsten: über 200 aktuelle und ehemalige Stipendiat_innen waren gekommen, um ELES und jüdisches Leben in der Gegenwart zu feiern. Und dann griff am 9. Oktober 2019, ein deutscher Terrorist die Synagoge in Halle an und ermordete zwei Menschen. An unserem Jubiläumsabend, einen Tag nach Halle, fiel so viel zusammen: Trauern und Trauer-Arbeit, resilient sein und Resilienz zeigen, sichtbar sein in der Gleichzeitigkeit von Verletzung und Verletzlichkeit, aber auch in der Kraft und im Gestaltungswillen. An diese Gleichzeitigkeit dürfen wir uns aber nicht gewöhnen. Diese Gleichzeitigkeit ist nicht länger hinnehmbar.

 

Zehn Jahre lang haben wir uns bei ELES geweigert, anti-Antisemitismus-Arbeit zu leisten. „Das ist nicht unsere Aufgabe“, haben wir gesagt, „das ist die Aufgabe der Gesellschaft, der Nicht-Juden.“ So sprechen wir heute nicht mehr. Im März haben wir deshalb ein neues Aktionsprogramm auf den Weg gebracht. Der Titel ist eine ernstgemeinte, eine zugespitzte, eine erschreckende Frage: „Nie wieder!?“ Das „Nie wieder!“ der Widerstandskämpfer im Warschauer Ghetto muss heute mit einem Fragezeichen versehen werden – heute, da der rechte Terror von Halle und Hanau, rechtsextreme Netzwerke in Polizei und Bundeswehr, ein weiterhin unaufgeklärter NSU, die Wahl eines FDP-Ministerpräsidenten in Thüringen mit den Stimmen der AfD als sichtbare Zeichen dafür gewertet werden müssen, dass sich unsere Gesellschaft in Deutschland radikal verändert hat.

 

Am 5. November 2019, nur knapp einen Monat nach dem Anschlag auf die Synagoge in Halle, in der auch ELES-Stipendiat_innen Jom Kippur feiern wollten, wurde unser Stipendiat Samuel in Freiburg antisemitisch attackiert. „In einem Raum voller Menschen war ich allein“, sagte Samuel damals. Nach dem Angriff organisierten wir eine spontane Solidaritätsveranstaltung für Stipendiat_innen aller 13 Begabtenförderungswerke. Der Abend in Freiburg wurde zu einem überwältigenden Zeichen der Solidarität: 180 Geförderte aller Werke kamen zusammen. An diesem Abend formulierten viele der anwesenden Stipendiat_innen den Wunsch, sich gegen Antisemitismus zu engagieren. Als Samuel die alte Woche von der neuen mit der Hawdala trennte, konnte man kurzzeitig das Gefühl bekommen, das wir etwas hinter uns ließen. Und wir beschlossen, den Wunsch der Geförderten nach Vernetzung ernst zu nehmen und ihren Wunsch nach Engagement gegen Antisemitismus zu unterstützen.

 

Die Geschwindigkeit, in der die Umformungsprozesse der Gesellschaft voranschreiten, in der der rechte Terror sichtbar aber – siehe NSU – ungeahndet bleibt, in der sich demokratische Parteien von Faschist_innen unterstützen lassen, in der ein Fragezeichen hinter das Ausrufezeichen des „Nie Wieder!“ gesetzt werden muss, diese Geschwindigkeit erfordert, dass wir schnell und dass wir gemeinsam handeln. Der jüdische Journalist und Anti-Theist Christopher Hitchens hat es einmal sehr einfach zusammengefasst: „Antisemitismus ist der Vorbote des Rassismus, das Tor zur Tyrannei, zu Faschismus und Krieg, und sollte nicht betrachtet werden als Feind des jüdischen Volkes, sondern als Feind der Menschheit und der Zivilisation. Deshalb muss er entschlossen und beharrlich von allen bekämpft werden“. Von allen, also auch von uns, vom jüdischen Begabtenförderungswerk und der jüdischen Gemeinschaft.

Jo Frank, Geschäftsführer von ELES.

„Nie wieder!? Gemeinsam gegen Antisemitismus & für eine plurale Gesellschaft“ ist ein zweijähriges Aktionsprogramm von ELES. Das Programm steht unter der Schirmherrschaft von Dr. Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland.

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