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Wie finde ich den richtigen Partner zum heiraten? Die Suche nach einer Basherte oder einen Basherten, einem von G‘tt bestimmten Seelenverwandten, ist schwierig, ganz besonders für ultra-orthodoxe Juden und Jüdinnen. In einer Welt, in der Männer und Frauen getrennt voneinander leben, haben sie kaum eine Möglichkeit, sich näher kennen zu lernen.
„Zuerst wird geheiratet, dann kommen die Kinder und schließlich die Liebe“, ist nach wie vor die Devise in der ultra-orthodoxen jüdischen Welt.
Nicht nur in den USA und in Israel, auch in Europa, vor allem im belgischen Antwerpen, in Österreich, in Straßburg, im französischen Elsass, in jüngster Zeit auch vermehrt in Deutschland und anderen Ländern steigt die Anzahl der dort lebenden Chassidim. In Zürich bildet ihre Gruppierung rund ein Viertel der 6.000 Gemeindemitglieder. In der gesamten Schweiz leben heute etwa 20.000 Juden und Jüdinnen, rund 3.000 von ihnen sind ultra-orthodox und befinden sich in manchen Aspekten ihrer Lebensgestaltung im krassen Gegensatz zu den weltlicher eingestellten liberalen, aber auch modern-orthodoxen und konservativen Juden und Jüdinnen. So zum Beispiel lernt sich die Mehrzahl der in Europa lebenden jungen Männer und Frauen meist bereits vor der Heirat kennen. Diverse Machanoth, sportliche Aktivitäten in Vereinen wie Makkabi oder Bar Kochba, gemeinsames Studieren sowie Geselligkeiten jüdischer Studentenverbände erleichtern ein Zusammentreffen beider Geschlechter. Junge jüdische Menschen treffen und verlieben sich ineinander. Ihre romantischen Gefühle füreinander sind dann auch der wichtigste Grund für eine Eheschließung.
Für junge ultra-orthodoxe Juden ist die Eheanbahnung deutlich schwieriger. In den Schulen, in den Synagogen sowie anderen gesetzestreuen Einrichtungen sitzen Jungen und Mädchen nicht nur voneinander getrennt, sondern erhalten auch getrennten Unterricht. Es gibt kaum Möglichkeiten, sich gegenseitig kennen zu lernen. Aber auch sie wollen heiraten und Kinder bekommen und diese beiden wichtigen Mizwot erfüllen.
Schon die Tora berichtet von einem Schadchan
Orthodoxe Juden heiraten schon in sehr jungen Jahren. Ihnen hilft die jahrtausendealte Tradition des Schadchanwesens. Die Tora berichtet davon, das Abraham Eliezer darum bat für seinen Sohn eine geeignete Ehefrau zu finden und sandte ihn deshalb zu seinen in Mesopotamien gebliebenen Verwandten. Am Brunnen traf dieser dann Rebekka. Auch heute werden Hochzeiten arrangiert, meist von den Eltern, aber auch vom professionellen Schadchan oder inzwischen auch einer weiblichen Schadchanit. Ihr Ziel ist die beiden jungen Menschen zu einem Schidduch zusammen zu führen, einem gemeinsamen Treffen, bei dem sie sich zum ersten Mal gegenüber sitzen. Nicht nur der junge Mann, auch die junge Frau wird danach gefragt, ob ihnen der Partner gefällt und sie ihn oder er sie heiraten wollen. Sie müssen sich schnell entscheiden, vielleicht gibt es ein zweites Treffen. Nach dem vierten Schidduch ist die Kennenlernphase endgültig vorbei. Doch so viele Treffen sind bereits die Ausnahme. „Die Mimik und die Gestik sind bei fast allen Pärchen ähnlich“, beschreibt Alisa Winter in ihrer Veröffentlichung „Schidduchim: Zwischen Liebe und Zwang? – Die Heiratsvermittlung in der jüdischen Orthodoxie“ junge Menschen, die sie in Israel in einer Hotellobby beobachtet. „Meistens trinken sie ein Süßgetränk und haben ihre Hände verschränkt auf dem Schoß. Als ich letzten Oktober in Tel Aviv war, habe ich allein an einem Abend sechs „solcher Paare“ entdeckt“.
Arrangierte Ehen sind keine Zwangsverheiratungen
Alisa Winter, die mittlerweile in Zürich Jura studiert und auch im schweizerischen jüdischen Studentenverein aktiv ist, hatte sich in ihrer Abiturarbeit mit dem Schidduch auseinander gesetzt. Inzwischen arbeitete sie an diesem Thema weiter und publizierte eine faktenreiche Lektüre, die lesenswert ist. „Arrangierte Ehen“, betont sie, haben nichts, aber auch gar nichts mit Zwangsheiraten gemeinsam, die eine Menschenrechtsverletzung darstellen und daher in der Schweiz ungültig sind.
Bevor Eliezer Rebekka mit auf den Weg zu Isaak nahm, fragten ihre Eltern, ob sie damit einverstanden und bereit zur Heirat sei. Sie bejahte es. Juden auf der ganzen Welt verstehen diesen Abschnitt in der Tora als Anweisung, das Einverständnis auch des Mädchens einzuholen, denn ohne dieses darf man sie nicht verheiraten.
Alisa Winters Werk basiert nicht nur auf theoretischem Wissen, sondern auch auf Gesprächen mit jungen Ehepaaren. Ilana Bollag zum Beispiel, die nach einem Vorschlag ihrer Lehrerin ihren Gatten durch einen Schidduch kennen gelernt hatte, erinnerte sich, dass der Schidduch sich „wie ein Bewerbungsgespräch“ angefühlt habe. Doch dann habe sie „das Bedürfnis gehabt, mit dem Mann länger zusammen zu sein“. Was nicht möglich war, da es ihm aus religiösen Gründen verboten war, eine Frau zu berühren. Das Nidda-Gesetz, nach dem es dem gläubigen Mann nicht erlaubt ist, unreine Frauen zu berühren, gilt auch für den Umgang mit jungen Frauen und Mädchen. Diese haben zwar ihre monatlichen Blutungen, dürfen jedoch erst kurz vor ihrer Heirat zum ersten Mal sich in der Mikwe rituell reinigen. Bis dahin gilt sie als unrein und verboten. „Das hat uns auch gepuscht“, zitiert Alisa Winter ihre Interviewpartnerin Ilana Lipschitz. Ein Grund warum sehr viele jüdisch-orthodoxe Menschen früh heiraten wollen, liegt „sicherlich am Bedürfnis, Liebe empfinden und auch ausleben zu dürfen“.
Von Vermögen, Verhaltensweise bis zur gesundheitlichen Untersuchung – die künftigen Eheleuten werden gründlich durchleuchtet
Es sind die Eltern, die noch vor der Verlobung Erkundigungen über die möglichen Anwärter einholen. Aus was für einer Familie kommen die zukünftigen Ehepartner? Wie ist die Atmosphäre im Haus der Schwiegereltern, leben sie nach den selben religiösen Vorstellungen und sind die jungen Leute auf einem gleich hohen Bildungsniveau? Auch der finanzielle Hintergrund wird gründlich unter die Lupe genommen, sowie die gesundheitliche Konstitution. Früher wurde nur das Blut des zukünftigen Bräutigams nach Erbkrankheiten untersucht. Heute gibt auch die Kralle, die zukünftige Braut, ein Röhrchen mit ihrer Blutprobe ab, das dann ebenfalls in ein Labor nach New York oder nach Israel verschickt wird, wo es vor allem nach dem Tay-Sachs-Syndrom untersucht wird, einer Stoffwechselstörung, die vorwiegend bei ultra-orthodoxen Familien vorkommt und zu neurologischer Erkrankung und frühzeitigen Tod der Kinder führen kann. Auch Erkundigungen bei den Nachbarn und Freunden der Heiratswilligen, gehört zur Vorbereitung. Das ist manchen peinlich, vor allem wenn sie Negatives zu berichten haben. Sie werden sich diplomatisch äußern. Im Laufe der Zeit hat sich ein spezifischer Sprachkodex entwickelt. Ähnlich wie in einem Arbeitszeugnis sind es auf dem ersten Blick freundliche Beurteilungen, die wahre Bewertung kann der Fachmann problemlos entziffern. Erst wenn es keine Zweifel mehr gibt und die Familie einverstanden ist, kann geheiratet werden. Wobei in der heutigen Zeit den Jugendlichen ein Mitspracherecht eingeräumt wird.
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