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Jüdisches Museum Wien, Dorotheergasse 11, Wien, www.jmw.at, Judentum, Wien

Zum Tode von Agathe Rona sel. A.

Ein Nachruf von Anita Winter

Agathe Rona, Gamaraal, Gamaraal Foundation, Gamaraal Stiftung

Foto © Gamaraal Foundation

Als Mädchen hatte Agathe Rona einen Hund. Eines Tages war der Foxterrier plötzlich verschwunden. Von diesem Moment an gehörte ihr Herz streunenden Hunden. Ihr ganzes Leben lang pflegte sie herrenlose Hunde, vermittelte sie an neue Besitzer und nahm immer wieder auch verstoßene Hunde in ihrem eigenen Zuhause auf. Eine Herzensangelegenheit war auch ihr Engagement gegen Tierversuche. Sie selbst war schon früh zur Vegetarierin geworden. Es waren die Hunde, die ihr Schutz und Geborgenheit gaben. Mit ihnen lebte sie in einem kleinen Haus im Tessin. Dass sie eine Überlebende des Holocausts war, wussten nur ganz wenige Menschen. Und fast immer bei öffentlichen Anlässen, an denen sie darüber sprach, tat sie das, ohne ihren Namen zu nennen.

 

Geboren wurde Agathe Rona 1929 in Budapest. Sie war Einzelkind. Der Antisemitismus prägte bereits ihre Kindheit. Als sie von der öffentlichen Schule ausgeschlossen wurde, konvertierten ihre Eltern zum Katholizismus, damit sie fortan eine katholische Schule besuchen konnte. Ihr Vater starb 1941 an einer Krankheit. ­Agathe Rona erzählte mir, dass es ein „Glück“ war, da er sonst mit größter Wahrscheinlichkeit in ein Konzentrationslager deportiert und dort umgekommen wäre. Mit der ­Besatzung Ungarns 1944 durch die Deutschen verschlechterte sich auch die Situation von Mutter und Tochter dramatisch: Sie wurden aus der Wohnung vertrieben und in ein sogenanntes Judenhaus gebracht, wo der Raum knapp und Hunger allgegenwärtig war. Ein halbes Jahr lebten sie dort, bis sie zusammen mit anderen auf die Straße getrieben wurden. Nur durch unermessliches Glück und Zufall konnten sie der Deportation entgehen. Kurze Zeit später wurden sie mit Tausenden anderen jüdischen Menschen auf eine Pferderennbahn gebracht, von wo der Todesmarsch an die österreichische Grenze starten sollte. In der Not sprach ihre Mutter einen ungarischen Polizisten an und sagte ihm, dass sie und ihre Tochter Christen seien. Der Polizist wurde zum Retter. Es folgten Monate, in denen sie von einem Versteck zum nächsten wechselten. Zuletzt waren sie in einem Keller, wo es weder Licht, Wasser noch Essen gab und sie in ständiger Angst lebten, entdeckt und deportiert zu werden, auch davon erzählte sie mir. An Weihnachten 1944, nach Kämpfen und Bombardierungen, wurden sie von den Russen befreit. 

 

Nach Kriegsende machte Agathe Rona die Matura. Mit 19 Jahren kam sie nach Genf. Sie hätte gern Chemie studiert, was aber wegen mangelnder Französischkenntnisse nicht möglich war. Sie machte deshalb eine Ausbildung zur Stenografin, arbeitete als Bürokraft und absolvierte nebenher ihr Studium als Lehrerin. Ins Tessin zog Agathe Rona wegen der Arbeit. Neben dem Unterrichten, ihrem Engagement für Hunde und Tierrechte, war es ihr ein großes Anliegen, den Polizeihauptmann zu finden, der sie und ihre Mutter damals gerettet hatte. Sie konnte diesen Mann namens Nandor ­Batizfalvy ausfindig machen und erfuhr, dass er noch vielen anderen jüdischen Mitmenschen das Leben gerettet hatte. Es war ihr eine Lebensaufgabe, dass er als Held und Retter anerkennt wurde. Dieses Herzensanliegen wurde ihr mit seiner posthumen Ehrung in Yad Vashem in Jerusalem erfüllt.

 

Agathe Rona blieb ledig und hatte keine Kinder. In ihrem Leben hat sie rund 3.000 Hunden zu einem würdigen Dasein verholfen. Agathe Rona starb am 28. September im Alter von 93 Jahren im Tessin. Wir haben Agathe Rona unendlich viel zu verdanken. Sie hat die Kraft aufgebracht uns von Erfahrungen und Erinnerungen zu berichten, die teilweise kaum in Worte gefasst werden können. Der Tod von ­Agathe Rona erinnert auch daran, dass die Verantwortung, die Erinnerungen an den Holocaust wachzuhalten, immer mehr von den nachwachsenden Generationen übernommen werden muss.

 

Wir haben einen herzensguten Menschen, eine liebe Freundin, eine eindrückliche Lehrerin und kluge Mentorin verloren. Wir werden Agathe Rona nie vergessen. Niemals.

Anita Winter ist Gründerin und Präsidentin der Gamaraal Foundation. Die Gamaraal Foundation unterstützt Holocaustüberlebende und ist im Bereich Holocausterziehung engagiert.

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