Meinhard Mordechai Tenné, der Brückenbauer

Meinhard Mordechai Tenné wurde 90 Jahre alt. Stets „verantwortungsvoll, zielstrebig, durchsetzungsstark und verhandlungsbereit“ sei der Ehrenvorsitzende, stellte Barbara Traub, Vorstandssprecherin der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württembergs den Jubilar vor. Ihm zu Ehren wurde in Stuttgart ein Empfang organisiert, an dem Politiker, Freunde und die Familie teilnahmen.

  • Barbara Traub (l.), Ehepaar Tenné und Günther Oettinger.

  • Lars Neuberger (l.) überreicht dem 90-Jährigen die Torte.

Meinhard Tenné ist einer der wenigen deutschen Juden, die in Deutschland leben. Geboren wurde er 1923 in Berlin. In der NS-Zeit reisten er und sein Vater in die Schweiz aus. Seiner Mutter und seinen Schwestern jedoch gelang die Flucht nicht. Sie wurden verhaftet, deportiert und wie andere Verwandte auch, in Auschwitz ermordet. Nach dem Krieg kümmerte sich Tenné in Belgien um Displaced Persons. 1948 ging er nach Israel, wo er bis 1958 Militärdienst leistete. Nach Deutschland kam er 1966 im Auftrag des israelischen Ministeriums für Tourismus. Das war genau ein Jahr, nachdem Deutschland und Israel diplomatische Beziehungen aufgenommen hatten. Tenné blieb, nach einem kurzen Zwischenstop in der Schweiz, in Deutschland, lebte zuerst in Berlin, dann in Frankfurt und schließlich in Stuttgart. Bildete sich weiter, studierte, wurde Arzt und Psychologe. Elf Jahre war er Sprecher der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württembergs. Auch engagierte er sich im Zentralrat der Juden in Deutschland. Bis heute sitzt er der Integrationskommission vor und hilft jüdischen Zuwanderern.

 

Daneben setzt sich Tenné auch für die Verständigung zwischen Christen und Israel, Nichtjuden und Juden ein. Aktiv ist er im Denkendorfer Kreis für christlich-jüdische Begegnung und Ehrenvorsitzender der Deutsch-Israelischen Gesellschaft. „Wer schuldig ist, muss seine Schuld abtragen“, sagt der Mann, dessen halbe Familie von den Nationalsozialisten ermordet wurde und betont gleichzeitig: „aber ein ganzes Volk kann nicht schuldig sein“. Als Brückenbauer zwischen den Religionen war er Gründungsmitglied des „Vereins Haus Abraham“, dessen Ehrenmitglied er wurde und stiftete 2011 das „Stuttgarter Lehrhaus-Stiftung für interreligiösen Dialog“, das den Trialog der monotheistischen Weltreligionen fördert.

 

„Sie sind Aufklärer geblieben“, betonte Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn, „darum sind Sie für diese Stadt und diese Gemeinde so wichtig“. Auch Alt-Landesrabbiner Joel Berger, der in diesem Jahr sein 50. Rabbinerjubiläum feierte, lobte Meinhard Tenné als Mann des Dialogs, der dennoch Wutausbrüche bekommen kann, wenn es um die Sache geht, und erinnerte an die Entdeckung eines Massengrabes bei Bauarbeiten vor dem Stuttgarter Flughafen mit sterblichen Überresten ehemaliger Zwangsarbeiter auf das schon lange vorher hingewiesen wurde, ohne dass der Sache nachgegangen worden war. Viel zu lange hat es gedauert, bis Historiker damit begannen, die lokale NS-Geschichte aufzuarbeiten. Meinhard Tenné ist ein „Mann, der sagt, was er denkt und denkt was er sagt“ charakterisiert Zentralratspräsident Dieter Graumann den Jubilar, für den er „große persönliche Bewunderung“ empfindet in einem Brief, den Barbara Traub vorlas. „Parteiübergreifend“ sei sein Engagement für die jüdische Sache, urteilt EU-Kommissar Günther H. Oettinger, der Tenné seit über 20 Jahren kennt. „Wir sind hier zu Hause“ betonte der Jubilar in seiner bewegenden Dankesrede, „hier in Stuttgart“.

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