SPORTLICH, JÜDISCH, SELBSTBEWUSST

DIE EUROPÄISCHEN MACCABI GAMES 2011 IN WIEN

Eine Woche lang war Wien die Hauptstadt des jüdischen Sports. Über 2.000 jüdische Athleten aus fast allen Ländern Europas trafen sich hier, um sich in Wettkämpfen zu messen. Sehr froh, betonte Wiens Bürgermeister Häuptl, sei er, dass gerade hier die 13. Europäische Makkabiade ausgetragen wird. Neben Österreichs Hauptstadt hatten sich auch St. Petersburg, Stockholm und Madrid als Austragungsorte beworben. Dass Wien den Zuschlag erheilt, liegt größtenteils an dem kürzlich gebauten großen jüdischen Sportzentrum Hakoah, das mit dem modernsten Standart ausgestattet ist. Die Stadt Wien und das Land Österreich finanzierten im Rahmen der Restitutionsgesetze zum großen Teil den Bau und halfen mit großen Summen auch für die Durchführung der Makkabiade, neben zahlreichen Spenden aus dem In- und Ausland und dem Engage- ment der Israelitischen Kultusgemeinde.

Zum ersten Mal in der Geschichte der Euro- päischen Makkabiade fand die Eröffnungszeremonie nicht in einem Stadion, sondern unter freiem Himmel an einem zentralen Platz statt. Vor dem Rathaus, wo vor 73 Jahren Hitler die Annexion Österreichs vor begeisterten Zuhörern verkündete, wehten nun Fahnen von Makkabi-Sportvereinen aus ganz Europa und aus Israel. Dass die Makkabiade gerade hier, wo einst Juden verfolgt und in den Tod geschickt wurden, stattfinden, sagte Israels Parlamentspräsident Reuven Rivlin, der eigens aus Tel Aviv zu den Spielen gekommen war, betrachtet er als „ein Zeugnis für den Sieg des jüdischen Geistes über die Schatten der Vergangenheit“. „Ich sehe den Zuschlag für Wien als Austragungsort nicht als Selbstverständlichkeit“, erklärte Bürgermeister Häuptl mit Blick auf Österreichs braune Vergangenheit. „Natürlich kann man ein Verbrechen wie den Holocaust nie vergessen machen, aber eben darum geht es. Um ein friedvolles Miteinander, damit so etwas nie wieder passiert.“ Auch Bundespräsident Heinz Fischer, der die Eröffnungsrede hielt, erinnerte daran, dass auch österreichische Sportvereine plötzlich Juden aus ihren Vereinen rauswarfen und ihnen jegliche sportliche Betätigungen verwehrten. Aus der Not heraus gründeten jüdische Sportler dann eigene Vereine wie Hakoah oder den Sportclub Makkabi. Eng mit der zionistischen Bewegung verbunden, wurde dort ein neues jüdisches Selbstbewusstsein entwickelt. Die erste internationale Makkabiade fand 1932 in Tel Aviv statt, die zweite dann 1935. Während des Holocaust, als in Europa Juden verfolgt und ermordet wurden, fanden keine Makkabi-Spiele statt. Erst 1950, nach der Errichtung des Staates Israel, wurde die erste Makkabiade nach dem Krieg veranstaltet und 1959 gab es in Kopenhagen die erste „Europäische Makkabiade“. Inzwischen finden alle vier Jahre in Israel Makkabi-Weltspiele und zeitlich verschoben auch alle vier Jahre die Europäische Makkabiade in einem europäischen Land statt.

 

„Sportler aus 38 Ländern sind gekommen“, freut sich Oskar Deutsch, Vizepräsident der Israeltischen Kultusgemeinde Wien und Chef des Makkabiade-Organisationskommittées. Es war eine gewaltige Leistung die sein Team mit wenigen Festangestellten und hunderten von Freiwilligen zu bewältigen hatte. 2.000 Sportler wurden täglich mit koscherem Essen versorgt und Quartiere in Hotels organisiert. Erfolgreich, ohne Zwischenfälle, fanden alle sportlichen Wettkämpfe statt, Journalisten und VIP-Leute aus der ganzen Welt wurden betreut, ein kulturelles Rahmenprogramm reibungslos durchgeführt und für die Sicherheit der Spieler und Betreuer gemeinsam mit dem Innenministerium gesorgt. Oskar Deutsch, der zu den Neugründern des S.C. Maccabi Wien gehört, ist mit großem Enthusiasmus dabei. „Das erste Mal nach dem Krieg kommen so viele Juden nach Wien, um Sport zu treiben, Spaß zu haben, in Kontakt mit der nichtjüdischen Bevölkerung zu treten.“ Vor allem aber, so der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland Dr. Dieter Graumann, der wie viele andere Persönlichkeiten, mit seiner Familie in die Donaumetropole zu den Spielen kam, wird, „auf eine lockere, leichte Weise die jüdische Identität gefördert, gekräftigt oder neu erweckt“. Dazu gehört auch die Verbundenheit mit Israel. Graumann, selbst begeisterter Makkabäer, der lange Zeit Präsident von Makkabi Frankfurt war, hat das „Makkabi-Feeling“ in sich und hofft, dass auch viele junge Sportler das herrliche Gefühl der Zusammengehörigkeit erfahren, „wer das einmal erlebt hat, den begleitet es ein Leben lang.“ „Die Spiele sind eine schöne Idee, nicht nur als Sportverband, sondern auch als Fest für junge Leute. Man trifft sich hier und lernt sich kennen“, betont ebenfalls Wiens Oberrabbiner Eisenberg. „Wir haben gerufen und unsere jüdischen Sportler sind gekommen“, freut sich Mordechai Tichauer, Vorsitzender der „European Maccabi Confederation“.

 

Spannung liegt in der Luft. Endlich beginnt die feierliche Eröffnung. Mehrere Stunden dauert sie. Stolz und selbstbewusst marschieren die Delegierten, nach Ländern geordnet, an den Gästen und vor dem Rathaus vorbei, vorneweg ein Fahnenträger mit der Flagge des jeweiligen Landes, die anschließend auf Emporen rechts und links von der Bühne positioniert werden.

 

Die Belgier brachten ihre eigene Makkabi-Fahne mit, auch die englische Mannschaft kam mit einer Fahne, in die das Emblem von Makkabi gedruckt war, wie auch die russische Delegation. Sie hatten in kyrillischer Schrift zusätzlich noch „Makkabi Russia“ hineingeschrieben. Die Sportler jubeln, winken Freunden und werfen den Zuschauern Kusshändchen zu.

 

Mit Fangesang kam die 200 Sportler und Sportlerinnen starke deutsche Mannschaft. Vor der Tribüne setzten sie sich auf den Boden, alle begrüßend, um dann gleich wieder aufzuspringen. Auf dem Kopf trugen sie Kappen in den Farben schwarz, weiß gelb-gold. Später, während der Wettkämpfe feuerten sie sich gegenseitig an „Makkabi-Deutschland-Deutschland“ brüllend. Viele Zuschauer staunten.

 

„Deutschland“ – ein jüdischer Schlachtruf? Dass Spieler aus anderen Nationen sich auch ihrem Land zugehörig fühlen, verwundert niemanden. Wenn die schottische Mannschaft im Schottenrock auftritt wird geschmunzelt, doch wenn Athleten aus Deutschland und ihre mitgekommenen Fans, nicht nur „Makkabi“, sondern auch „Deutschland“ jubeln, ist das etwas völlig Neues. „Wir Juden“, so Peter J. Guttmann, Ehrenvorsitzender des TSV Maccabi München, sind „ein fast normaler Teil der deutschen Gesellschaft geworden“. Es ist „auch ein Geschenk, das wir Juden der deutschen Gesellschaft machen, dass wir uns so weit geöffnet haben“ meint Guttmann, „das muss man positiv sehen, wir sind da auf einem sehr, sehr gutem Weg.“ Begleitet hat die deutsche Delegation Ernst Denneborg aus dem Bundesinnenministerium, der sich sehr beeindruckt von den Leistungen der „deutschen jüdischen Nationalmannschaft“ zeigte. An 100 Wettbewerben in 17 Disziplinen nahmen die Makkabäer aus Deutschland mit ihrer über 200-köpfigen Delegation, der drittgrößten hinter Österreich und Großbritannien, teil. 78 Medaillen konnten sie holen und errangen damit hinter den USA und Großbritannien den dritten Platz. Da aber die USA als Gastland nicht in die Addition der europäischen Medaillengewinner gerechnet wird, rückt Deutschland auf den 2. Platz vor, Österreich folgt auf Platz 3. Die Schweiz kam mit 17 Medaillen auf den 9. Platz. Auf besondere Einladung nahmen Israel und Australien teil, sowie Sportler aus Brasilien, Kanada und anderen Ländern. „Es war eine sehr erfolgreiche Makkabiade“, Oskar Deutsch ist zufrieden. Über 60.000 Zuschauer haben die Spiele besucht, schätzt er. „Wir sind stolz und zufrieden“ betont auch der Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde Wiens und Österreichs, Ariel Muzicant. Einig waren sich alle auch über die politische Aussage. Vor neun Monaten gewann die rechtsgerichtete SPÖ-Partei bei der Wiener Gemeinderatswahl 27 Prozent der Stimmen. „Wenn wir als jüdische Gemeinschaft in Europa im Herzen von Wien auftreten, in Anwesenheit des österreichischen Bundespräsidenten“, so Dr. Dieter Graumann, „dann ist das ein ganz besonderes Signal“. Wir Juden sind da, wir zeigen Flagge und Präsenz und setzen Zeichen.