Beginnt im Bankenwesen jetzt das große Jahrzehnt der Frauen? Innerhalb weniger Monate wurden gleich drei Frauen an die Spitze der Finanzwirtschaft ernannt. Karnit Flug wurde zur Gouverneurin der Zentralbank Israels. In Moskau übernahm Elvira Nabiullina im Juni 2013 als Chefin der russischen Zentralbank das Ruder und in den USA trat im Januar 2014 Janet Yellen ihren Posten als Präsidentin der „Federal Reserve“ („FED“) an.

Leicht hatten es die Frauen nicht, in die oberste Etage des mächtigen Finanzsystems aufzusteigen und oberste Währungshüterinnen zu werden. In Russland wird Elvira Nabiullina eine zu große Nähe zum Ministerpräsidenten Putin vorgeworfen, der sie ernannte und die bereits seit längerem auch Präsidentenberaterin ist. Viele zweifeln an ihrer Unabhängigkeit und befürchten eine Abhängigkeit der russischen Zentralbank, die von der Regierung unterstützt wird.

In Israel wurde monatelang nach einem geeigneten Nachfolger für Stanley Fischer gesucht, der sich von seinem Posten zurückgezogen hatte, in der Hoffnung Chef des internationalen Währungsfonds zu werden. Karnit Flug war seine Stellvertreterin und eine geachtete Finanzfachfrau. Stanley Fischer empfahl sie von Anfang an als „Idealbesetzung“, doch Premierminister Benjamin Netanjahu zögerte und favorisierte Jacob Frenkel, der von 1991 bis 2000 schon einmal an der Spitze der israelischen Zentralbank stand. Der zog jedoch seine Kandidatur zurück, als eine alte Geschichte aus dem Jahr 2006 wieder hervorgekramt wurde, derzufolge er im Duty-Free-Shop in Hong Kong Waren mitgenommen haben soll, ohne sie zu bezahlen. Frenkel wurde vor sieben Jahren wegen Ladendiebstahl verhaftet, jedoch nie verurteilt. Nach wie vor beteuert er seine Unschuld und spricht von einem „Missverständnis“. Die erneute Schmutzkampagne führte nun dazu, dass er sich aus der israelischen Wirtschaft zurück zog und weiter seine Position als CEO von „JP Morgan Chase International“ ausfüllt.

Janet Yellen ist die erste oberste Währungshüterin in den USA. Sie löst Ben Bernanke ab

Netanjahus zweiter Kandidat war Leo Leiderman, Chefökonom der Bank Hapoalim, der auch die Forschungsabteilung der israelischen Zentralbank geleitet hat und in London davor auch bei der Forschungsabteilung für Schwellenländer bei der Deutschen Bank tätig war. Er schlug den Posten ebenfalls aus, nachdem ihm die israelische Presse angebliche sexuelle Belästigungen vorwarf, für die es aber keine Beweise gibt. Im Herbst wurde dann der frühere Berater der US-Regierung, Finanzfachmann Larry Summers vorgeschlagen. Doch der machte sich Hoffnung auf den Chefsessel der US-Notenbank und schlug das Angebot aus. Doch nicht er wurde Gouverneur der FED, sondern Janet Yellen, die seit 2010 als Vizepräsidentin des Federal Reserve Board tätig war.

1946 in einer jüdischen Familie im New Yorker Stadtteil Brooklyn geboren, interessierte sie sich schon früh für Wirtschaftsfragen. Nach ihrem Studium der Wirtschaftswissenschaft, das sie 1967 mit „summa cum laude“ abschloss, wurde sie Dozentin an der Harvard Universität und ab 1974 Mitarbeiterin in der Abteilung für Internationale Finanzen am „Board of Governors of the Federal Reserve System“. Sie lehrte an der Londoner „School of Business Administration“, in Kalifornien und wurde 1982 zur Professorin ernannt. Bill Clinton berief sie als Vorsitzende des Rates der Wirtschaftsberater in sein Amt. Dann war sie Präsidentin der „Federal Reserve Bank of San Francisco“ und seit 2009 Mitglied des „Federal Open Market Committee“, einem Gremium, das die Geld- und Währungspolitik der USA bestimmt. Barack Obama ernannte Janet Yellen nun zur Nachfolgerin von Ben Bernanke und damit zur obersten Währungshüterin der USA. Sie wurde die erste Frau an der Spitze der US-Notenbank.

Wirkt „wie ein Reh, ist aber ein Tiger“, Stanley Fischer empfahl Flugs Ernennung als „Idealbesetzung“

Nachdem diese Entscheidung weltweit bekannt wurde, war Netanjahu endlich ebenfalls bereit, eine weibliche Gouverneurin der Zentralbank Israels zu akzeptieren. Auch Flug bricht damit in eine Männerdomäne ein und steht zum ersten Mal in der Geschichte Israels als Notenbankchefin an der Spitze der israelischen Finanzwelt. „Ein Happy-End“ schrieb die Zeitschrift „Haaretz“ über den Einzug der 58-Jährigen, die 1955 in Warschau geboren wurde. Drei Jahre später zogen die Eltern mit ihr nach Israel, wo ihr Vater Vorsitzender des Dachverbandes der Holocaust-Überlebenden in Israel und des Internationalen Auschwitz Komitees „IAK“ wurde. Karnit Flug studierte in Jerusalem und New York und arbeitete anschließend für den Internationalen Währungsfonds. 1988 kehrte sie nach Israel zurück und begann in der Forschungsabteilung der Zentralbank und der Interamerikanischen Entwicklungsbank zu arbeiten. In unterschiedlichen Ausschüssen wirkte sie mit, u.a. auch im „Trajtenberg-Committee“. „Karnit übt einen zentralen Einfluss bei wichtigen Entscheidungen aus“, lobte sie ihr Vorgänger Stanley Fischer. Die Zeitung „Jediot Achronot“ warnt davor, sie zu unterschätzen und schrieb, sie wirke „wie ein Reh, ist aber ein Tiger“.