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Jüdisches Museum Wien, Dorotheergasse 11, Wien, www.jmw.at, Judentum, Wien

SPIONAGE IN DER BIBEL

VON RABBINER DR. WALTER ROTHSCHILD

Afrika, Israel, Agrar, Landwirtschaft, Leap-frogging
Die Kundschafter Kalew und Joshua kommen mit großen Trauben zurück. Holzschnitt aus einer Haggada von 1816.

„Ich sehe was, das du nicht siehst, dass ich ihn sehe...“ – So oder so ähnlich ist das Grundprinzip der Spionage, nicht nur das Erkunden und Auskundschaften von neuen Gebieten, Landschaft, Ressourcen, Festungen, militärischen Stellungen oder Industrietechnik, sondern auch, dass derjenige, der ausgespäht wird, das nicht bemerkt und sich nicht bedroht fühlt. Eine schwierige Aufgabe.

 

Sogar Josef benutzte diesen Vorwand gegen einige Ausländer, die nur nach Ägypten gekommen waren, um – zumindest sagten sie so – um Getreide zu kaufen... (Bereschit 42:9-17.) Ironischerweise konnten sie nicht sehen, wer vor ihren Nasen stand – der eigene Bruder! Aber, dass vermeintliche Kundschafter bedroht und inhaftiert werden können, gehört auch dazu. In ‚Schelach lecha‘ (Bemidbar 13:1-14:12) wurde Mose aufgefordert, zwölf Personen nach Kanaan zu schicken – vermutlich damit jeder Stamm einen Vertreter habe, dem sie vertrauten. Bei einer Gruppe von zwölf Nomaden, die durch das Land wandert, kauft und isst und übernachtet, sogar Obst und andere Erzeugnisse mitnimmt, wird wahrscheinlich niemand denken, das sollte eine Geheimmission sein. Die beste Tarnung ist immer, ganz offen zu sein, unverdächtig! Wie normale Touristen! Die Kanaaniter sind noch ahnungslos, was auf sie zukommen könnte mit diesem Volk aus der Wüste, Flüchtlinge aus 400 Jahren Unterdrückung in Ägypten.

 

Die Probleme kommen, als die Ausspäher ihre Nachrichten zunächst an das Volk und erst später an ihren Auftraggeber Mose bringen. Das Volk ist – wie oft – nicht immer so klug und intelligent und weitsichtig wie sich das viele idealistische Revolutionäre so oft gedacht haben und noch immer denken. Es gab die Ewiggestrigen, die aus einer Mischung aus Angst und Nostalgie heraus sich nach den „guten alten Zeiten“ in Ägypten sehnten. Das Volk verfiel in Panik, zwei von den Spionen (Josua und Kalew) konnten mit ihrem Minderheitenvotum die Stimmung nicht ändern. Mose konnte das Projekt nicht aus der Schieflage bringen, und G‘tt wurde wütend... So war das nicht geplant!

 

Fast vierzig Jahre später: Die Zeiten und die Menschen haben sich geändert. Der König von Moab wusste schon, wozu dieses Volk imstande ist – aber das hat ihm nicht geholfen. Die Kanaaniter sind jetzt in großer Sorge. Die Furt über den Jordan-Fluss wird von der befestigten Stadt Jericho kontrolliert. In Kapitel 2 des gleichnamigen Buches schickt Josua diesmal nur zwei anonyme Informanten, die sich unauffällig einschleichen und dann über die Stimmung berichten sollen. Sie kommen abends an und suchen Unterkunft in einem Bordell. Warum?

 

Erstens: So viele Herbergen gab es wahrscheinlich nicht. Und man muss schnell weg von der Straße kommen. Aber zweitens, hier gibt es Diskretion, keiner will den Ausweis sehen und hier gibt es eine Frau, die alles hört, was Reisende berichten und was in den Regierungskreisen wirklich los ist. Ein Bordell soll privat sein, aber innerhalb des Bordells gibt es keine Geheimnisse mehr. Und Rahav, die Prostituierte, gehört wahrscheinlich zu der Unterschicht, benötigt aber verachtet; sie sieht die Heuchelei und die verlogene Moral, sie kennt die Männer der Stadt besser als alle anderen. Und hier eine weitere Regel der Geheimdienste: Es geht darum, Informanten zu finden, die bereit sind, gegen Geld, Schutz, aus Rache oder aus ideologischen Gründen alle Staatsgeheimnisse zu verraten. Oft sind es Frauen! Sekretärinnen, Assistentinnen..., die so unschuldig aussehen.

 

Als die Polizei kommt, um die Fremden zu suchen, weil natürlich jeder, der das Stadttor passierte, bemerkt und notiert wurde, schützt Rahav ihre Kunden anstelle ihrer Stadt. Die Spione bieten Schutz für ihre Familie an, sollte sie ihnen helfen. Und sie hilft ihnen, versteckt sie und verhilft ihnen zur Flucht aus der Stadt. Sie vereinbaren sogar einen Geheimcode, ein Zeichen: eine purpurrote Schnur im Fenster. (Gibt es hier eine Parallele zum roten Blut auf den Türpfosten der Israeliten in Ägypten?)

 

Was ihre Familie denkt, wenn später die ganze Stadt in Trümmern liegt – außer dem Haus, in dem Rahav wohnte und wo sie gerettet worden waren – das steht nicht im Bibeltext. Es muss ein interessantes Gespräch gewesen sein.

 

Heutzutage ist alles viel einfacher, natürlich. Kameras überall, Magnetstreifen auf Kredit- und Fahrkarten... Man muss nur die Alexa der Zielperson befragen: „Alexa, Bericht erstatten: Was sagt die Person, in deren Wohnung du stehst?“ Handys können geortet und abgehört werden. Wir tragen die Spione mit uns selber herum. Aber bitte – sag das keinem! Es soll geheim bleiben!

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