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ISLAMISTISCHEN TERRORISMUS ERNST NEHMEN

Jüdisches Europa im Gespräch mit Maram Stern, dem Vizepräsidenten und stellvertretenden Generalsekretär des Jüdischen Weltkongresses, dessen Büro sich in Brüssel befindet.

WJC-Vizepräsident und stellvertretender Generalsekretär Maram Stern.                                                                                          Foto Serge Weinber
WJC-Vizepräsident und stellvertretender Generalsekretär Maram Stern.                                                                                          Foto Serge Weinber

Auffällig im Kampf gegen den Terror ist, dass fast alle Attentäter einen islamischen Background haben. Gleich, ob es sich um die Ermordung mehrerer Schulkinder und ihres Lehrers in Toulouse handelt, um den Überfall auf einen koscheren Laden in Paris mit vielen Toten, auf ein jüdisches Museum in Brüssel, auf eine Synagoge und eine Bat Mizwa-Feier in Kopenhagen – überall in Europa führt die Blutspur zu extremistischen Islamisten. Wie kann man dieser Radikalisierung Einhalt gebieten?

 

Wichtig ist zunächst, das man das Problem ernst nimmt, es in all seinen Facetten analysiert. Man muss deutlich zwischen den Extremisten auf der einen Seite und der überwiegenden Zahl der Muslime, die mit diesem blutrünstigen Fanatismus nichts zu tun haben, auf der anderen Seite. Aber: die friedliebenden Muslime müssen aufstehen gegen den Missbrauch des Islams im Namen der Gewalt gegen Andersgläubige. Auch wenn es jüngst einige positive Beispiele gegeben hat: Auf diesem Feld würde ich mir manchmal noch etwas mehr Engagement wünschen, auch und gerade von den einflussreichen Führern in der islamischen Welt.  

 

In Kopenhagen demonstrierte die Bevölkerung gegen den Überfall mit einem „Friedensring“ um die Synagoge, an dem sich auch mehrere Muslime beteiligten. In Oslo waren unter den Tausenden von Demonstranten, die ebenfalls eine Menschenkette um das jüdische G‘tteshaus als Zeichen ihrer Solidarität bildeten, auch einige Muslime dabei. Kann man ihre Teilnahme als Zeichen für ein Umdenken und den Wunsch nach einem friedlichen Zusammenleben von Juden und Muslimen deuten?

 

Die meisten Juden und Muslime wollen friedlich zusammenleben, und sie tun es ja auch in vielen westlichen Ländern. Der Terror richtet sich ja auch gegen die Muslime. Wir haben uns jedenfalls gefreut, dass Initiativen wie die in Oslo so gut angekommen sind und ein wichtiges Zeichen gesetzt haben.

 

Andererseits distanzieren sich die meisten Politiker aus den muslimischen Ländern wie beispielsweise aus Saudi-Arabien, Iran, den Golfstaaten oder Libyen nicht von den blutigen Attentaten, die im Namen des Islam begangen werden. Vor allem von den geistlichen Autoritäten hört man keine Verurteilungen.

 

Das ist leider zum Teil so. Dennoch glaube ich, dass in vielen arabischen Ländern im Nahen Osten, v.a. in Ägypten oder in Jordanien, sich das Bewusstsein, dass Terrorismus niemals akzeptabel ist, breit gemacht hat – vor allem auch aufgrund der eigenen Erfahrungen mit radikalen Islamisten. Sowohl Präsident al-Sisi in Ägypten als auch König Abdullah von Jordanien haben das immer wieder klar gesagt: Der Terror muss besiegt werden. Und dazu braucht es eine gemeinsame Kraftanstrengung aller Länder.

 

Österreich ist das erste Land in Europa, das die Finanzierung der im Alpenland exis­tierenden Moscheen und muslimischen Religionsschulen aus dem Ausland per Gesetz verbietet. Damit hofft der Staat Hasspredigern das Handwerk zu legen, sowie deren Einfluss auf Jugendliche, vor allem mit Integrationshintergund, zu mindern.

 

Man kann dieses Gesetz natürlich kritisieren, wie das einige islamische Verbände getan haben. Aber immerhin ist es ein Versuch, den Einfluss von Hetzern und Hasspredigern in Österreich zu beschneiden. Wir werden sehen, inwiefern das gelingen wird. Aber wir dürfen dabei nicht vergessen, dass viele junge Leute nicht in der Moschee, sondern z.B. in Gefängnissen agitiert und zu Islamisten gemacht werden. Auch dort sind verstärk­te Anstrengungen notwendig.

 

Die zahlreichen Anschläge führten zu einer Verunsicherung eines Teils der in Europa lebenden Juden, vor allem der jüdischen Menschen aus Dänemark und Frankreich. Viele von ihnen wanderten in die USA aus oder gehen nach Israel. Der französische Consistoire Central Israélite unter Leitung seines Präsidenten Joel Mergui finanziert bereits in Jerusalem und Tel Aviv französische Zentren, um die Verbindung zu den ehemaligen französische Juden nicht zu verlieren. Was hält der Jüdische Weltkongress von dieser Entwicklung?  

 

Ich würde mich freuen, wenn kein Jude in Europa aus Angst vor Antisemitismus und Terror sich gezwungen fühlte auszuwandern. Das wäre doch ein Armutszeugnis für Europa! Aber leider fühlen sich einige nicht mehr sicher hier. Es gibt aber auch genug andere Gründe, warum Juden nach Israel gehen. Jede Entscheidung ist eine individuell gefällte, die sich manchmal aus mehreren Motiven speist und langsam heranreift. Die Behauptung aber, dass steigender Antisemitismus automatisch zu mehr Auswanderung führt, ist mir etwas zu simpel. Unsere Aufgabe als Jüdischer Weltkongress ist es, jüdisches Leben in der Diaspora zu sichern und zu fördern. Wenn jetzt alle Juden Europa verließen, könnten wir hier auch die Fensterläden zusperren. Wir wollen, dass alle, die das möchten, hierbleiben können und nicht in Angst leben müssen. Jüdisches Leben gehört zu Europa – und wir sollten uns gegen negative Entwicklungen wehren anstatt zu resignieren.

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