Der Jüdische Weltkongress hat gewählt

WIZO und ORT im Board – Dieter Graumann neuer Vizepräsident

  • Rabbiner Yaakov Dov Bleich aus der Ukraine an der Wahlurne.

  • Dr. Dieter Graumann (l.), neuer Vizepräsident des WJC und Präsident Ronald S. Lauder.

  • Abstimmung per Handzeichen während der Plenarversammlung in Budapest.

Seit seiner Gründung im August 1936 in Genf ist der „Jüdische Weltkongress (WJC)“ das größte Sprachrohr der Juden in der Diaspora. In der Organisation sind fast alle jüdischen Dachverbände Europas, Lateinamerikas, der USA und Asiens, sowie die wichtigsten jüdischen Organisationen vereinigt, deren Interesse der WJC vertritt. Die Richtlinien der Arbeit werden von der Plenarversammlung bestimmt, die alle vier Jahre zusammenkommt und ihren Vorstand neu wählt.

 

In diesem Jahr gab es einige Veränderungen. So kamen die 500 Delegierten aus 100 Ländern nicht wie sonst meist in Jerusalem, sondern diesmal in Budapest zusammen, um mit ihrer Anwesenheit die Weltöffentlichkeit verstärkt auf den angestiegenen Hass gegen Roma und Juden in Ungarn aufmerksam zu machen. Verändert wurde auch die Satzung des Jüdischen Weltkongresses. Ab sofort sind die Präsidenten der zwölf größten jüdischen Gemeinden der Welt (ausgenommen Israel) automatisch auch Vizepräsidenten des WJC. Ständig vertreten sind somit im Präsidium des WJC die Länder USA, Frankreich, Groß-britannien, Russland, Argentinien, Kanada, Deutschland, Ungarn, Ukraine, Australien, Brasilien und Südafrika.

 

Neu in die Führungsriege aufgenommen wurden drei weitere internationale jüdische Organisationen: „World ORT“, „International Council of Jewish Women“ und „Women‘s International Zionist Organisation (WIZO)“, die ihre Delegierten jeweils selber bestimmen. Zwar wurde bereits 2009 Helena Glaser Vizepräsidentin des Jüdischen Weltkongresses, doch wurde sie als ad personam-Kandidatin gewählt. Der Platz der damaligen Präsidentin der WIZO war an sie persönlich gebunden und zeitlich befristet. Jetzt jedoch bekam die WIZO einen ständigen Sitz im WJC. Für diese Periode vertritt die heutige Welt-WIZO Präsidentin Tova Ben-Dov aus Israel die zionistische Frauenorganisation.

 

Bereits seit langem sind die Anti-Defamation League, B’nai B’rith International, die Europäische Rabbinerkonferenz, die Claims Conference, Hillel, der Internationale Rat Jüdischer Frauen, das Internationale Jüdische Komitee für Interreligiöse Angelegenheiten sowie die Jewish Agency for Israel Mitglieder im WJC, haben jedoch keinen Sitz im Vorstand.

 

Einstimmig wurde der 69-jährige Geschäftsmann, Philanthrop und früherer US-Botschafter Ronald S. Lauder, der seit 2007 dieses Amt ausübt, als Präsident des Jüdischen Weltkongresses bestätigt. Neuer Vorstandssprecher des WJC wurde der französische Bankier Baron David de Rothschild. Zum Schatzmeister des WJC wählten die Delegierten Chella Safra aus Brasilien, die Cobi Benatoff aus Italien ablöste, der dieses Amt mehrere Jahre ausübte. Moshe Kantor, der Präsident des Europäisch-Jüdischen Kongresses wurde Vorsitzender des „Politischen Rates“ des WJC und Mervyn Smith aus Großbritannien sein Stellvertreter. Geschäftsführer und leitender Vizepräsident wurde der 56-jährige Robert Singer. Elf Jahre war er bei den Israelischen Streitkräften beschäftigt und saß davor zwölf Jahre im Büro des israelischen Ministerpräsidenten. Auch hatte Robert Singer 14 Jahre die weltweite Organisation „ORT“ geleitet. Die Verbindung des WJC zu Israel liegt zusätzlich auch im Aufgabengebiet von Shai Hermesh aus Israel, der ebenfalls Vizepräsident des WJC ist.

 

Insgesamt wurden 31 Vizepräsidenten gewählt. Sie garantieren, dass die Interessen von Juden wahrgenommen werden, die in Lateinamerika, in Asien, in den USA und in Europa leben. Mehrere Rabbiner sind unter ihnen, wie Yaakov Dov Bleich aus der Ukraine, sowie Joel Meyer und Arthur Schneier aus den USA, die bereits auf eine lange Erfahrung zurück blicken können. Auch der französische CRIF-Präsident Roger Cukierman oder Ariel Muzicant aus Österreich vertreten die Juden ihres Landes in der jüdischen Weltorganisation schon seit Jahrzehnten. „Die weltweite Vernetzung und Zusammenarbeit ist besonders wichtig. Der Zusammenhalt über Landesgrenzen hinweg ist eine jahrtausendealte jüdische Tradition“ sagt Dr. Dieter Graumann, der durch seine Funktion als Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland neuer Vizepräsident des Jüdischen Weltkongresses wurde. Er löste Charlotte Knobloch ab, die aber weiterhin beim WJC involviert sein wird, u.a. durch die Leitung des Ausschusses für Holocaustfragen. Yuri Kanner, der Präsident des „Russisch-Jüdischen Kongresses“, der erneut Vizepräsident des Jüdischen Weltkongresses wurde, leitet den „Ausschuss für Holocaust-Restitution“ und Edouard Elsztain eine Arbeitsgruppe, die die Entwicklung des Einflusses der Neonazis auf politische Parteien beobachtet.

 

Die Mitglieder untereinander noch besser zu vernetzen, um stärker gegen Bedrohungen gewappnet zu sein, wird die Hauptaufgabe der nächsten Jahre werden. Aber auch Hilfe für kleinere, in Not geratene Gemeinden, vor allem in Osteuropa sowie weiterhin Gespräche auf Regierungsebene mit Parlamentariern, Ministern und Staatspräsidenten gehören zum Schwerpunkt der gegenwärtigen WJC-Arbeit. Stärker als in den vergangenen sechzig Jahren fühlen sich Juden erneut von offen zur Schau getragenem Antisemitismus und internationalen rechtsradikalen Bewegungen bedroht. Deshalb endete die Plenartagung des Jüdischen Weltkongresses mit einem Appell an die Regierungen Europas, rechtsextremistische Bewegungen endlich zu verbieten und schärfere Gesetze gegen Rassismus und die Leugnung des Holocaust zu verabschieden.

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